„Heimatvertriebene und Spätaussiedler sind natürliche Verbündete, wenn es darum geht, Brücken nach Ostmittel- und Osteuropa zu schlagen.“ Mit diesen deutlichen und zugewandten Worten begrüßte der Vorsitzende der CDU Thüringen, Mike Mohring MdL, den Bundesvorstand der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) – Union der Vertriebenen und Flüchtlinge – am 29. Juni 2019 in Erfurt.
Der OMV-Bundesvorsitzende Egon Primas, zugleich stellvertretender Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag, hatte Mohring als CDU-Landesvorsitzenden und CDU-Präsidiumsmitglied auf Bundesebene zur Klausurtagung und zum Meinungsaustausch in der Thüringer Landeshauptstadt eingeladen.
Mohring betont Chancen der Verständigungspolitik
Mohrings Aussage fiel im Zusammenhang mit einer vertriebenenpolitischen Bestandsaufnahme. Bedauerlich sei, dass die Vertreibung bzw. die Aussiedlung aus der Heimat sowie das Schicksal der heimatverbliebenen Deutschen keine Schwerpunkte aktueller Politik seien. Diese Themen stärker zu betonen, lasse die Zukunftschancen dieses Arbeitsbereiches aus dem Schatten treten – in der Kulturpflege, aber auch in der grenzüberschreitenden Verständigung, womit etwa Kontakt und Austausch in Bildung oder Wirtschaft ermöglicht würden. „Oft trägt dies dazu bei, das Interesse an unseren Nachbarn im Osten wach zu halten, und daraus entwickelt sich immer wieder viel Gutes. Der gelegentlich gebrauchte Begriff der Volksdiplomatie bringt diesen Aspekt gut auf den Punkt“, so Mohring wörtlich.
Die Zusammenarbeit der CDU mit den Vertriebenen, Spätaussiedlern und
ihren Verbänden in Thüringen bezeichnete Mohring als organisch gewachsen
und selbstverständlich. Dies widerspiegelte sich auch im Gespräch mit
Egon Primas und den anwesenden OMV-Vorstandsmitgliedern, in dem sich
Mohring über viele der aktuellen Anliegen informiert zeigte und klare
Position bezog. So kritisierte er etwa, dass Spätaussiedler sich im
Alter immer häufiger unverschuldet in einer prekären sozialen Lage
befinden, und äußerte Verständnis dafür, dass diese eine gerechtere
Regelung im Fremdrentenbereich anstreben.
Wie wichtig es bleibe, an
Flucht und Vertreibung zu erinnern, verdeutlichte der
CDU-Landesvorsitzende vor der aktuellen politischen Lage: „Das 20.
Jahrhundert war durch Vertreibungen
geprägt. Und wir sind leider in
der Gegenwart und der Zukunft nicht davor gefeit, wie ein Blick in die
Welt zeigt. Es muss klar sein und bleiben, dass Deportationen und
Vertreibungen ein Verbrechen sind, das niemals geduldet werden kann.“
Kulturarbeit: Berliner Dauerausstellung kommt 2021
Hierzu könne auch die Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ beitragen, ergänzte der OMV-Bundesvorsitzende Egon Primas. Deren geplante Dauerausstellung und das Dokumentationszentrum im Berliner Deutschlandhaus „soll nun endlich 2021 eröffnet werden. Der Dreiklang des Stiftungsnamens trifft gut, was wir mit der Vertriebenenarbeit heute und morgen leisten können und wollen“, so Primas.
Auf der Basis des aktuellen „Berichtes der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 des Bundesvertriebenengesetzes in den Jahren 2017 und 2018“ wurde ein Überblick über die Förderschwerpunkte des Bundes gegeben. Dabei zeigte sich einerseits, dass die Fördersituation sich Jahr für Jahr verbessere und derzeit bei ca. 23 Millionen Euro liege. Andererseits erwarte die Bundesregierung wohl verstärktes Engagement von den Bundesländern. Entsprechend des Gesetzestextes gelte es, die partnerschaftliche Finanzierung dieses gesamtgesellschaftlichen Anliegens zu verbessern.
Kulturstiftung und Zentrum gegen Vertreibungen
Um die konkrete Kulturarbeit ging es dann in Gesprächen mit dem Vorsitzenden der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Reinfried Vogler, und dem Vorsitzenden der Stiftung Zentrum gegen Vertreibungen (ZgV), Dr. Christean Wagner.
Vogler, der auch Präsident der Sudetendeutschen Bundesversammlung ist, gab einen kurzen Abriss der wechselvollen Geschichte der Kulturstiftung – insbesondere im Hinblick auf die Streichung der institutionellen Förderung durch die rot-grüne Bundesregierung ab 1998. Seitdem habe die Arbeit nur in Minimalbesetzung und mit großem ehrenamtlichem Anteil weitergeführt werden können. Durch die Aufnahme der Kulturstiftung in den aktuellen Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD seien hier jedoch neue Impulse möglich geworden. Im Rahmen eines größeren Projektes konzipiere man derzeit eine Neu-Aufstellung der von der Stiftung geleisteten Vertriebenenkulturarbeit und erhoffe auf dieser Grundlage eine Verstetigung der Fördermittel bis hin zu einer Wiederaufnahme in die institutionelle Förderung.
Dr. Wagner, gebürtiger Königsberger und ehemaliger Landesminister bzw. CDU-Fraktionsvor-sitzender in Hessen, würdigte die Arbeit der OMV – auch als Mit-Initiatorin des ZgV – und betonte, dass es ohne das Zentrum und den Einsatz der Vertriebenen auf vielen Ebenen die Berliner Bundesstiftung heute gar nicht geben würde. „Die ostdeutsche Kultur ist Teil der gesamtdeutschen Kultur“, mahnte er und verwies auf das Selbstverständnis, mit dem man Immanuel Kant und dessen Werk allgemein zur deutschen Geistesgeschichte rechnet. Hier sehe sich auch das ZgV weiter in der Pflicht und werde die Wanderausstellungen fortführen bzw. noch zu wenig ausgeleuchtete Bereiche der deutschen Geschichte mit neuen Ausstellungen sichtbarer machen. Dankbar war Wagner für den Impuls des OMV-Bundesvorsitzenden Primas, eine Ausstellung den Vertriebenen in der DDR zu widmen, deren Schicksal im Kommunismus über Jahrzehnte unterdrückt wurde.
Gespräche im Thüringer Landtag und mit Vertriebenenbischof Hauke
Bereits am Vortag hatte der OMV-Bundesvorstand den Thüringer Landtag besucht, dort mit dem CDU-Generalsekretär Raymond Walk gesprochen und war danach am Erfurter Dom mit dem Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge, Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, zusammengetroffen.
Im Landtag beantwortete CDU-Generalsekretär Walk gemeinsam mit Egon Primas als stellvertretendem CDU-Fraktionsvorsitzendem eine Vielzahl an Fragen zur Vertriebenen- und Aussiedlerpolitik in Thüringen sowie zur bevorstehenden Landtagswahl. Klar wurde dabei u.a., dass viele der Bürger in den neuen Bundesländern trotz grundsätzlicher Zufriedenheit mit der aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Situation aufgrund der Erfahrungen der Wiedervereinigung Verlustängste hegen. Daher gelte es für die CDU, insbesondere die Bereiche Innere Sicherheit, Wirtschaft, Bildung und Integration thematisch zu besetzen und Lösungen anzubieten. Walk erklärte abschließend: „Mit der OMV verbinde ich: Respekt, Vertrauen, Toleranz und Verantwortung, Orientierung und Halt in unsteten Zeiten – und das alles auf Basis des christlichen Menschenbildes.“
Weihbischof Hauke – der den OMV-Bundesvorstand auf den geschichtsträchtigen Stufen zum Erfurter Dom in Empfang nahm, wo einst Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl seine Rede von den „blühenden Landschaften“ gehalten hatte – erläuterte die Weiterentwicklung der seelsorgerischen Arbeit für die Vertriebenen in der Katholischen Kirche. So seien aus den Visitaturen in den letzten Jahren Vereine gegründet worden, die von den Gläubigen selbst getragen würden. Immer stärker rücke auch im dortigen Engagement der Verständigungsgedanke mit den Diözesen in der Heimat und den dort verbliebenen Menschen in den Vordergrund. Dies unterstütze die Kirche gerne auch finanziell, jedoch seien für die Attraktivität der Arbeit und die Mitgliederbindung die Vereine selbst verantwortlich, so Bischof Hauke.
Die positiven inhaltlichen Anregungen der OMV-Klausurtagung aufgreifend, erklärte Egon Primas abschließend: „Es gilt nun, unsere Themen – auch programmatisch – verstärkt in der Arbeit der Unionsparteien sichtbar zu machen. Dazu werde ich u.a. Gespräche mit dem CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak MdB und dem Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Vertriebene, Aussiedler und deutsche Minderheiten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Eckhard Pols MdB, führen.“